Placebo und Nocebo

Placebo und Nocebo

Worte sind das das mächstigste Werkzeug, über das eine Ärztin oder ein Arzt verfügt

Wer sich Zulassungsstudie des Biontech/Pfizer COVID-19 Impfstoffes ansieht, dem stechen vielleicht einige Zahlen ins Auge:

 

In der Gruppe der 16-55 Jährigen beispielsweise gaben nach der 1. Impfung 12 % der TeilnehmerInnen an, an Durchfall gelitten zu haben, weiters 33% an Müdigkeit, 34 % an Kopfschmerzen, 11% an Muskelscherzen und 1% an Fieber über 38°C. Und zwar in der Placebogruppe, das heißt der Gruppe, die gar keinen Impfstoff erhalten hat!

Der Placeboeffekt beschreibt eine durchschnittliche Verbesserung von Beschwerden durch eine Scheinintervention; sein „böser Bruder“ der Noceboeffekt die schädlichen Effekte.

In Medikamentenzulassungsstudien ist der Placeboeffekt unerwünscht, da er ja auch in der Gruppe der StudienteilnehmerInnen wirkt, die das „echte Medikament“ erhalten und es dadurch schwerer wird zu beurteilen, welchen Effekt die Substanz allein hat. Daher versucht man in Studien, den Placeboeffekt zu minimieren – indem man beispielsweise darauf achtet, dass der Kontakt zwischen ÄrztInnen und ProbandInnen möglichst kurz ist.

Ganz im Gegensatz dazu sollte Gesundheitspersonal im medizinischen Alltag alles daran setzen, den Placeboeffekt bestmöglich zum Wohl der Kranken zu nutzen. Hierfür ist es beispielsweise sehr zieldienlich, den erwünschten Effekt eines verschriebenen Medikamentes genau zu erklären. Beim Verabreichen einer Infusion mit Schmerzmittel bewirkt allein die Information, dass es sich um ein schmerzlinderndes Medikament handelt eine stärkere analgetische Wirkung als wenn das Mittel wortlos angehängt wird.

Doch den Placeboeffekt gibt es nicht nur bei Medikamenten (bei denen – je nach Wirksamkeit des Medikamentes – 20-85 % der „Medikamentenwirkung“ auch durch Placebo erreicht wird). So gibt es auch Studien zu „Scheinoperationen“, z.B. Kniearthroskopien, mit sehr beeindruckenden Ergebnissen in der Placebogruppe.

Der Placeboeffekt ist wesentlich besser erforscht als der Noceboeffekt. Man weiß etwa, dass es Wirkmechanismen gibt, die auch dann funktionieren, wenn der oder die Betroffene aufgeklärt wurde, dass es sich es sich um ein Placebo handelt. Man geht davon aus, dass im Sport bereits mittels Placebo gedopt wird, weil man einen guten Teil der Wirkung einer Substanz erzielen kann, ohne dass diese in Blut- oder Harnprobe nachgewiesen werden kann.

Für Ärztinnen und Ärzte gilt es hinsichtlich des Noceboeffekts, im Gespräch mit PatientInnen darauf zu achten, die möglichen schädlichen Auswirkungen ihrer Worte auf ein Minimum zu reduzieren, etwa in Aufklärungsgesprächen vor notwendigen Eingriffen. So wurde beispielsweise gezeigt, dass die Hälfte der PatientInnen nach einer Lumbalpunktion („Kreuzstich“ zu Diagnosezwecken) Kopfschmerzen bekam, wenn eine Aufklärung darüber erfolgt war. Kannten die PatientInnen diese mögliche Nebenwirkung nicht, litt nur ein Zehntel an Kopfweh. Der Grad zwischen einer ausreichend guten Aufklärung und „Panikmache“ ist teils sehr schmal und es bedarf sicher eines gewissen Fingerspitzengefühls und einiger Erfahrung durch die aufklärende Person. Entsprechende Schulungen und das Beschäftigen mit der Macht der Sprache sowie das Bewusstsein, dass Worte, die aus dem Mund von einer Person kommen, der gewisses Fachwissen zugeschrieben wird, besondere Bedeutung haben, helfen dabei weiter.

So hat schon der bekannte Kardiologe und Nobelpreisträger Bernard Lown in seinem tollen Buch „Die verlorene Kunst des Heilens“ geschrieben: „Worte sind das mächtigste Werkzeug, über das ein Arzt verfügt“.