Steuerposition

Oft bleibt das Ziel vollkommene Heilung ein Sehnsuchtsziel

Hilfreich kann sein, auch unter widrigen Umständen zu versuche, wieder das Steuer zu übernehmen. (Foto von rawpixel)

In der täglichen Praxis ist es oft so, dass Patient*innen zu mir kommen mit dem Wunsch, ihre Beschwerden endlich loszuwerden. Vollkommen verständlich, denn vermutlich möchte jeder Mensch ohne Schmerzen, ohne Durchfall, ohne Übelkeit, oder was auch immer die Symptome nun sind, leben.

Nun können und sollten aber in der Medizin ja keine Heilsversprechungen abgegeben werden. So erhöhen wir auch mit Medikamenten (wenn diese richtig eingesetzt werden) nur die Wahrscheinlichkeiten, um ein definiertes Ziel zu erreichen.
Das was gut veränderbar ist, ist das „innere Erleben“, also die Haltung, wie sich Personen in bestimmten Situationen erleben.
Ich möchte das mit einem erfundenen Beispiel verdeutlichen:
Da ist eine Schwimmerin, die seit der Kindheit alles ihrem Ziel unterordnet, irgendwann Olympiasiegerin zu werden. Sie nähert sich kontinuierlich der Weltspitze und schafft es schließlich bei den entscheidenden Wettkämpfen ins Finale. Dort liegt sie mit zwei Konkurrentinnen bis 50 m vor dem Ziel gleich auf, als ihr der Gummi ihrer Schwimmbrille reißt. Ohne Schwimmbrille muss sie die beiden Gegnerinnen ziehen lassen und schafft es schließlich, als Fünfte das Rennen zu beenden. Nach den Spielen zieht sie sich enttäuscht zurück und muss mit dem Schwimmsport aufhören, nachdem sie bereits große finanzielle Ausgaben hatte und sich ihre Sponsoren zurückziehen.
Nach einigen Wochen erkennt sie, welche Leistung es ist, bei den olympischen Spielen Fünfte zu werden. Sie ist dankbar, wieviel sie auf ihrem Weg dorthin gelernt hat und bekommt Lust, dieses Wissen auch in anderen Bereichen einzusetzen. So freut sie sich auf die berufliche Neuorientierung, zu der es aufgrund der Umstände kommen musste.

Was heißt das nun für Patient*innen vor allem mit seit Längerem bestehenden Beschwerden?
Gäbe es eine alternative Zieldefinition als „alles Beschwerliche/Furchtbare/Mühsame/Einschränkende soll weg sein“?
Wie würden Sie sich in Zukunft gern erleben? Was würden Sie gern tun? Kennen Sie dieses angestrebte Erleben (einen Teil dieses Erlebens) vielleicht auch jetzt schon in gewissen Situationen? Was könnten Sie tun, um dieses Erleben in Zukunft häufiger/stärker zu spüren? Wer oder was wäre hier hilfreich? ….

Auf diese Weise kann es durchaus gelingen, sich dem Sehnsuchtsziel sukzessive anzunähern.