Über die Wirklichkeit

Über die Wahrheit

Wir schaffen uns mithilfe unserer Beobachtungen und Vorerfahrung unsere Realität selbst (Foto von adobe stock)

Liest man sich Fachzeitschriften, Sachbücher oder (das muss ich leider zugeben) teils auch einfach meine Blogeinträge durch, so mag oft durchaus der Eindruck entstehen, es gäbe Menschen, die wirklich wüssten, wie die Welt funktioniert.

Gerade in den Naturwissenschaften finde ich es aber eigentlich sehr wichtig zu beachten, dass wir einfach durch die uns zur Verfügung stehenden Sinnesorgane (wir können sehen, hören, fühlen, aber zB Magnetismus nicht wahrnehmen) beziehungsweise unter Zuhilfenahme gewisser Hilfsmittel wie Mikroskope, Teleskope etc. gewisse Informationen über die Umwelt (im Fall der Medizin meist über Menschen) erhalten.

Was wir mit dieser Information dann machen, ob und wie wir diese weiter verarbeiten, hängt dann aber von sehr vielen verschiedenen Faktoren ab.

Anzunehmen ist auch, dass Vieles in unseren Umwelten von uns überhaupt nicht beobachtet wird; bewusst nehmen wir sowieso nur einen Bruchteil der Eindrücke, die auf uns einprasseln, wahr...

Verfolgt man diesen Gedanken weiter, führt es dazu, dass es nicht die EINE, wirkliche Realität gibt.

Das heißt aber, dass das, was in Lehrbüchern beispielsweise über den Menschen steht, eigentlich immer Theorien sind, die das, was eben wahrgenommen werden kann, versuchen logisch und schlüssig zu erklären. Und es heißt NICHT, dass die Dinge WIRKLICH so sind. Leitlinien zu bestimmten Erkrankungen beispielsweise werden im Konsens verschiedenster medizinischer Fachleute erstellt, die unterschiedliche Beobachtungen und Erfahrungen gemacht haben.

So ändern sich manche Theorien und Therapien über Jahre hinweg teils grundlegend – und trotzdem werden wir nie wissen, was „wirklich wahr“ ist. Falls es „die Wirklichkeit“ überhaupt geben sollte…

So meinte etwa der Neurobiologe und Systemtheoretiker Humberto Maturana:

Beweise oder Erklärungen haben nichts mit der Widerspiegelung einer externen Wirklichkeit zu tun (…). Man schenkt einer Argumentation oder einer Erklärung Glauben, weil sie einem selbst als bewiesen gilt, weil sie auf eine Weise beschrieben wird, die man selbst – aus welchen Gründen auch immer und auf der Basis der unterschiedlichsten Validitätskriterien- für annehmbar hält.

Als Ärztin empfinde ich es durchaus als Herausforderung, einerseits zu wissen, dass wir nichts sicher wissen, andererseits (unter Vermittlung einer gewissen Sicherheit und Überzeugung) mit den Theorien und Therapien zu arbeiten, von denen ich glaube, dass sie PatientInnen bestmöglich helfen.