Wir können davon ausgehen, dass in unserem Gehirn wesentlich mehr ankommt als wir bewusst mitkriegen.
Unsere Umgebung wird ständig nach „Mustern“ gescannt und mit bereits erlebten Erfahrungen und gespeicherten Erinnerungen verglichen, um adäquat reagieren zu können. Klar ist natürlich, dass wir nur einen Bruchteil der ständig auf uns einströmenden Reize bewusst verarbeiten. Ein gutes Beispiel für unseren Wahrnehmungsfilter ist in der Psychologie als „Cocktailpartyeffekt“ bekannt. Befinden wir uns in einem Raum mit vielen Menschen, hören wir viel Gemurmel, folgen aber vermutlich nur dem Gespräch, an dem wir gerade beteiligt sind. Äußert irgendeiner der Gäste einer anderen Gruppe aber unseren Namen, so nehmen wir das augenblicklich bewusst war und werden aufmerksam.
Und wie tut sich unser Unterbewusstsein mit logischen Denkinhalten? Hier kam ein amerikanischer Hirnforscher zu einem tollen Ergebnis. Er legte Testpersonen vier verdeckte Kartenstapel vor und bat sie Karten zu ziehen. Diese Karten standen für Gewinn oder Verlust einer gewissen Summe. In der Regel merkten die Teilnehmer nach circa 25 Runden, dass es zwei „gute“ (mehr Gewinn als Verlust) und zwei „schlechte“ (mehr Verlust als Gewinn) Stapel gab. Das Spannende war allerdings, dass der Versuchsleiter während des Tests die Hautleitfähigkeit der ProbandInnen maß und damit auf das vegetative (unwillkürliche) Nervensystem der ProbandInnen schließen konnte. Dieses Nervensystem entdeckte das Muster sehr viel schneller. Bereits rund ab der 13. Karte kam es zu einer Veränderung der Hautleitfähigkeit, wenn die Testperson zum „schlechten“ Stapel greifen wollte. Diese Information nahm dann die Qualität einer „Ahnung“ an und die Teilnehmer bevorzugten die „guten“ Stapel, noch ehe sie explizit dafür eine Erklärung abgeben konnten.
Ich selbst habe die Fähigkeit, dass wesentlich mehr unbewusst als bewusst im Gehirn abgespeichert wird, mit viel Freude zur Vorbereitung und während des Absolvierens meiner Facharztprüfung für Innere Medizin eingesetzt. Dass es sich dabei um eine schriftliche Multiple-Choice-Prüfung gehandelt hat, ist mir insofern entgegengekommen, dass ich den ersten Durchgang in rasendem Tempo, sozusagen ohne nachzudenken, absolviert habe und die Antwort angekreuzt habe, die mir spontan in den Sinn gekommen ist. Wie nicht anders zu erwarten war, habe ich allerdings die meisten Antworten in den folgenden Stunden kaum mehr verändert. Und die Prüfung geschafft.
Interessant ist auch die sogenannte „subliminale Wahrnehmung“ – die Wahrnehmung von Reizen unterhalb der Bewusstseinsschwelle. Dass diese existiert, ist mittlerweile von den allermeisten Forschern anerkannt, auch wenn einige unsinnige Behauptungen darüber kursieren. Sie spielt etwa bei grundlegenden Lernprozessen eine Rolle oder bietet Hilfe, um Gefahren schneller zu erkennen. So konnte beispielsweise gezeigt werden, dass ProbandInnen, denen für extrem kurze Zeit - zeitlich unter der Wahrnehmungsschwelle liegend - Wörter auf einem Computerbildschirm präsentiert wurden, eher das Gefühl hatten, eine Wort gesehen zu haben, wenn es sich um einen negativ konnotierten Begriff (wie „Hai“ oder „krank“) gehandelt hat. Eher bei negativen Reizen aufmerksam zu werden hat vor allem unseren Vorfahren oft das Leben gerettet.
Viele Gerüchte ranken sich um die subliminale Wahrnehmung. So wurde gemutmaßt, dass die Beatles in den Liedern „Strawberry Fields Forever“ und „Yellow Submarine“ subliminal Botschaften zu einem angeblichen Tod Paul McCartneys versteckt haben. Auch wurde vielerorts behauptet, dass das Konsumverhalten subliminal beeinflusst werden kann; die derzeitige Datenlage spricht aber eher dagegen.